"Customer Centricity - Warum Echtzeit alles entscheiden wird"

Die Komplexität des Alltags
wird für die Konsumenten weiter steigen.

Durch den wachsenden Anspruch auf Individualität werden persönliche Entscheidungen vielfältiger und kurzfristiger. Die Eigenverantwortung steigt und wird mit Pragmatismus beantwortet: Geld kauft Zeit. Zeit wird als Wert wichtiger, denn es ist die einzige natürlich begrenzte Ressource, die Menschen haben. Nachdem die persönliche Gestaltungsfreiheit in der Freizeit selbstverständlich geworden ist, erreicht jetzt die Individualisierung die Arbeitszeit. Die Flexibilisierung der Anwesenheitspflicht am Arbeitsplatz und persönliche Arbeitszeitkonten sind nur die ersten Schritte gewesen, um die gewohnte Trennung zwischen Arbeit- und Freizeit zu überwinden. Der neue Begriff für die Fusion von Arbeit- und Freizeit heißt Eigenzeit. Eigenzeit ist nicht Freizeit, sondern Zeitfreiheit: Die Erfolgreichen disponieren über knappe Zeit und delegieren. Sie geben Geld aus, um Zeit zu sparen. Deshalb kaufen sie sich, und zwar mit jedem Service, Zeit. Die Loser aber haben Zeit im Überfluss. Sie geben Zeit aus, um Geld zu sparen. Diese widersprüchlichen Verhaltensmuster polarisieren die Märkte von morgen. Wenn die Zeit sehr knapp ist, ist es unökonomisch, lange über kleine Geldbeträge nachzudenken - das beflügelt Investitionen in die mediale Vernetzung. Der Siegeszug der mobilen internetbasierten Kommunikation ist ein sicheres Zeichen für die schnelle und erfolgreiche Entwicklung der Netzwerkgesellschaft. Die Netzwerkgesellschaft ist die entstehende Superstruktur der globalen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts, die mit einer Vernetzung von Information, Technologie, Kapital und Macht beschrieben werden kann.

Die wachsende Diskontinuität verändert die Unternehmen
durch Individualisierung und Globalisierung.

Persönlich und in Echtzeit auf Konsumentenwünsche reagieren zu können wird zur entscheidenden Herausforderung für die Wirtschaft in der globalen Netzwerkgesellschaft. Die egozentrischen Anforderungen von Konsumenten an Unternehmen verändert die Wertschöpfungskette weltweit. Neue Unternehmensmodelle entstehen.

Konsumenten haben mehr Autonomie und Selbstbewusstsein durch das Internet bekommen, als man sich das auf Unternehmensseite bisher vorstellen konnte. Die Transparenz von Angeboten wird durch Preissuchmaschinen alltäglich angeboten und genutzt. Das Austauschen von Erfahrungen ist durch das Web 2.0, mittels Social-Media-Plattformen, Communities oder Twitter, kaufentscheidend geworden. Die Macht der Konsumenten wächst weiter, denn das Internet wird sehr schnell mobil. Das amerikanische Technologie- und Marktforschungsunternehmen Forrester rechnet damit, dass bereits in fünf Jahren die Hälfte der globalen Internetdaten mobil genutzt werden kann. Augmented Reality wird dann zum Alltag gehören. Google Streetview gibt schon heute einen Vorgeschmack auf die Möglichkeiten der mobilen Anwendung von Augmented Reality. Persönliche Angebote, vor Ort und in Echtzeit, verbinden die reale Welt mit den virtuellen Angeboten des Internets.

Neue Unternehmen, die das Internet bereits bei Gründung als Infrastruktur genutzt haben, sind heute die globalen Innovations- und Marktführer der Netzwerkökonomie, wie Amazon, Ebay und Google. Sie haben ihre Unternehmen auf Customer Centricity gegründet. Ihre Marktplätze sind branchenübergreifend, ihre Beziehungen und Kenntnisse der Konsumenten aber sind fokussiert. Hier sind die ersten Organisationsmodelle für Firmen der entstehenden Netzwerkökonomie zu erkennen.

Outside-in ist der Quellcode des Neuen – die Wünsche der Konsumenten können sich permanent wandeln, die Beziehung zum Kunden aber bleibt langfristig konstant. 

Inside-out war die Zielorientierung einer effizienten Matrixorganisation der Industriekultur. Ständig neue Angebote der Warenwelt warben um die Aufmerksamkeit der spontanen Kundschaft.

Nach 150 Jahren Erfolgsgeschichte verändern sich die Spielregeln: Beziehungen statt Produkte werden der Schlüssel zum ökonomischen Erfolg. Nicht mehr Qualität und Preis entscheiden über die Märkte, sondern individuelle Angebote an Konsumenten in Echtzeit. Unternehmen sind dabei zu lernen, wie sie auf Konsumentenwünsche spontan reagieren können.

Medienkompetenz, also der geschickte Umgang mit Medien, ist die Zeitgewinntechnik der Netzwerkgesellschaft. Statt Anwesenheit genügt kommunikative Erreichbarkeit. Für Konsumenten ist der individuelle mobile Zugang zum Internet über Laptops, Tablet-Computer oder Smartphones bereits selbstverständlich geworden. Allein in Deutschland werden 120 Millionen Handys von 82 Millionen Einwohnern aktiv genutzt. Davon sind zehn Millionen Geräte bereits heute internetfähige Smartphones.

Die private Medienkompetenz hat sich schneller entwickelt als die entsprechende Fähigkeit von Unternehmen. Personal-Media-Angebote ermöglichen Konsumenten ein Leben in zwei Wirklichkeiten. Die Geschäftswelt wird sich diesen veränderten medialen Rahmenbedingungen konsequent anpassen. Das mobile Internet ist die Infrastruktur des 21. Jahrhunderts und verbindet Kommunikation, Transaktion und Produktion in einem Medienkanal. Die reale Welt des Seins wird sich zunehmend durch die virtuelle Welt des digitalen Scheins verändern.

Unternehmen müssen Flexibilität und Dynamik beweisen, um sich in schnell entwickelnden und immer komplexer werdenden globalen Wettbewerbssituationen behaupten zu können. Es wird zur Reorganisation von Unternehmen kommen, um die unberechenbaren und mobilen Kunden in Echtzeit zufriedenstellen zu können.

Das Ziel der Reorganisation heißt Resilenz – die aktive Potenz, mit Elastizität, Widerstandsfähigkeit und Innovationen auf äußere Umwelteinflüsse reagieren zu können. Ein anschauliches Modell ist die Fähigkeit von Stehaufmännchen, sich aus jeder beliebigen Lage wieder aufzurichten.

Je höher die Mobilität,
desto wichtiger wird die zeitliche Koordination.

 Jede Unpünktlichkeit ist ein Attentat auf das Zeitmanagement des anderen.“ Norbert Bolz

Cloud-Computing
Programme, Dienstleistungen und Speicherplätze werden auf Servern im Internet genutzt anstatt auf der Festplatte eines Computers. Mehrdimensionaler Kundenservice wird durch Cloud-Computing erst möglich.
Vertrauen, Sicherheit und Verlässlichkeit werden das Cloud-Geschäft im Businessbereich bestimmen. Während Google auf die Kostenlosigkeit des Cloud-Computings setzt, versucht Microsoft über die geschlossene Serviceplattform „Azure“ zahlungswillige Kunden zu gewinnen. Mit „Azure“ bietet Microsoft Geschäftskunden die Hoheit über ihre Datensätze an, obwohl die firmeneigenen Daten in Microsoft-Rechenzentren liegen.

Mobiles Cloud-Computing
Exchange-Applikationen, wie das Group- und Nachrichtensystem von Microsoft, haben sich zur Standardlösung entwickelt, um E-Mails, Termine, Aufgaben und Kontakte auf die Handys zu pushen, sobald auf dem zentralen Server im Unternehmen neue Infos eingehen. Symbiant und Android leisten gleiche Arbeit mit Exchange. Blackberry Business hat diese Push-Technologie populär gemacht.
Professionelles Mobil-Datamanagement, wie kundenbasierte mobile CRM-Lösungen, ermöglicht es z. B., dass Außendienstmitarbeiter mit dem zentralen Verkaufs-Innendienstsystem ständig verbunden sind. So können sie die Stammdateninformationen aktualisieren und ihre Online-Aufträge direkt an Logistikpartner versenden.

Customer Dynamics
Der ständige Austausch von Interaktionen und Transaktionen von Konsumenten mit Unternehmen wird über Customer Dynamics beschrieben. Die Integration von Online – und Stationärgeschäft wird für immer mehr Händler zur Herausforderung.
Webbasierte Anwendungen, wie „Service Cloud“ von salesforce.com, filtern Kundenanfragen aus den verschiedensten Kanälen des Internets, E-Mail, Facebook, Twitter, aber auch aus der Mobilfunkkommunikation, bündeln diese und leiten sie automatisch an die Servicemitarbeiter weiter. Mit „Service Cloud“ werden alle Kundeninformationen sowie die Servicehistorie im Internet gespeichert und verwaltet. Alle Daten sind in Echtzeit abrufbar und durch mobile Funktionen an jedem Ort der Welt unabhängig vom Gerätetyp verfügbar.

Mobile Payment
Trotz der zögerlichen Entwicklung elektronischer Rechnungsströme im B-to-B Bereich entwickelt sich das mobile E-Payment zwischen Unternehmen und Konsumenten rasant. Mobile Bezahlungssysteme, die über Smartphones eingesetzt werden können, werden die eine Milliarde Kreditkarten, die allein in den USA in Umlauf sind, schon bald ersetzen, prognostizierte die „Businessweek“ im August 2010.

Peter Wippermann
Gründer des Trendbüros
Professor für Kommunikationsdesign an der Folkwang Universität, Essen