Apple schlägt Exxon - Trust-Design bestimmt die Markenerfolge von morgen.

Peter Wippermann, Gründer Trendbüro,
Professor für Kommunikationsdesign an der Folkwang Universität der Künste

Apple schlägt Exxon. Trotz der aktuellen Finanzkrise wurde an den Börsen über die Zukunft abgestimmt. Die Prognose des Marktes ist seit August dieses Jahres eindeutig: Kommunikation wird die wirtschaftliche Bedeutung von Mobilität verdrängen. Besser kann man den gegenwärtigen Strukturwandel der Gesellschaft nicht auf den Punkt bringen.

Mit Erdöl sicherte ExxonMobil über Jahrzehnte die Dynamik der Industriegesellschaft. Das Unternehmen konnte den Spitzenplatz im Ranking der wertvollsten Unternehmen der Welt in den vergangenen Jahren unangefochten halten. Mit iPods, iPhones, iPads und ähnlichen Informations- und Kommunikationstechnologien machte Apple dem Ölkonzern diese Position streitig. Apple wird dafür belohnt, dass es die virtuelle Infrastruktur der Netzwerkgesellschaft voranbringt.

Markenrankings sind Frühindikatoren der Börse
Die Marke Apple wurde schon Anfang Mai Nummer eins im Ranking BrandZ Top 100. Der Markenwert stieg in einem Jahr um 84 Prozent auf 153 Mrd. US-Dollar. Apple verdrängte damals Google vom Siegertreppchen. Für diese Rangliste befragt das US-Marktforschungsunternehmen Millward Brown jährlich Hunderttausende Bürger nach ihrer Einstellung zu Marken und analysiert die Gewinnaussichten der Unternehmen. Der Markenerfolg wurde zum Frühindikator des heutigen Börsensieges. „Apples Erfolg rührt nicht allein von der Produktinnovation her, sondern Apple-Nutzer sehen die Marke als eine Ausdrucksmöglichkeit für ihre Individualität“, so Bernd Büchner, Geschäftsführer bei Millward Brown in Deutschland.

Das Markenerlebnis kennzeichnete die Inszenierung der Produktwelt
Apple wurde berühmt durch sein sensationelles Produktvergnügen. Von Firmengründung an war das minimalistische Design einzigartig. Selbst das Auspacken des Produktes wurde zum Markenerlebnis. Apple verdinglichte den Mythos einer besseren Welt und erfand in den neunziger Jahren das Kultmarketing. Der Glaube an den Fortschritt formte die Fangemeinde der Marke. Zehn Jahre später erfand Apple das Servicedesign neu. Das Markenversprechen löste der Computerriese mit seinem Retail-Store-Konzept und den Genius-Bars ein. „Zum Einkaufen kommen. Zum Lernen zurückkommen“ heißt das Motto bis heute. Apple aktiviert seine Fans in den Kathedralen der Marke. Aus der Idee der Markenbindung wurde eine ganzheitlich gelebte Markenbeziehung.

Die Markenbeziehungen stehen für sozialen Reichtum
Die entscheidende Erklärung des Apple-Triumphes liegt im Markenkern. Der sinnstiftende Aufforderungscharakter „Think different“ hat bis heute seine spirituelle Kraft nicht verloren. Schon 1984 ging es dem jungen Computerhersteller um die Demokratisierung von Information. Der Apple Macintosh war einer der ersten Personal Computer weltweit. Mit seiner grafischen Benutzeroberfläche und der Maus als Produktinnovation wurde es für Nutzer einfacher, die Möglichkeiten der neuen digitalen Informationstechnologien aus der Business-Welt privat zu nutzen. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Das Begreifen der Welt über die neuen Touch-Oberflächen der Apple-Produkte löste das Markenversprechen, die IT-Technologie im Privaten einfach zugänglich zu machen, aus dem Jahr 1984, endgültig ein. Apple blieb den eigenen Markenwerten immer treu. Selbst an den dramatisch volatilen Weltbörsen zahlt sich diese Haltung für das Unternehmen aus.

Consumer-Centricity ist das Geheimnis der Marke Apple. Der Konzern erkannte früh, dass es profitabel ist, die Angebote aus den Sehnsuchtsfeldern der User zu entwickeln. Mit iTunes wurde ein Multimedia-Verwaltungsprogramm zum Abspielen, Konvertieren, Organisieren und Kaufen von Musik, Hörbüchern, Podcasts, Filmen, iPhone- und iPad-Apps und Spielen auf den Markt gebracht, das die Freiheit der Apple-Fans erhöhte. Das Selbstbedienungsprinzip des Massenmarktes erreichte mit iTunes die Softwarewelt der Unterhaltungselektronik. Es war der erste Schritt zur unendlichen Ausdifferenzierung eines neuen virtuellen Marktplatzes von Programmen.

„It’s the customer, stupid“
Jeder Nutzer konfiguriert heute sein iPhone oder iPad so, wie er es für sinnvoll hält. Die Individualisierung der Hardware durch die Installation kleinerer Softwareanwendungen wurde zuerst auf dem iPhone möglich. Im Frühjahr 2008 wurde der Apple App Store freigeschaltet. Heute, im Sommer 2011, werden dort 425.000 Apps für das iPhone und schon über 100.000 Apps für das iPad angeboten. Apple konnte in den vergangenen drei Jahren 15 Milliarden App-Downloads verkaufen. Die kleinen Softwareprogramme sind inzwischen ebenso gefragt wie Songs im iTunes-Store. Die Medienwelt von Personal Media hat ein unvorstellbares Wachstumstempo. Hintergrund des Erfolgs ist die Erfüllung kultureller und sozialer Sehnsüchte der Nutzer von mobilen Gadgets. Personal-Media-Geräte sind zu den Fernbedienungen des realen Alltags geworden.

Personal Media wird zum Gatekeeper
Natürlich ist Apple ist nicht allein dabei, Personal Media erfolgreich zu popularisieren. Längst hat Google mit Android ein freies und quelloffenes Betriebssystem für mobiles Computing auf den Markt gebracht, das sich noch schneller verbreitet als das urheberrechtlich geschützte Angebot von Apple. 550.000 Android-Mobiltelefone aktiviert Google jeden Tag – die Tendenz ist stark steigend. Personal Media wird zum Gatekeeper der Markenkommunikation.

Aber es geht für Marken nicht um die Adaption der ungestümen Innovationskraft der IT-Technologie. „It’s the customer, stupid“ ist ein guter Rat für die Markenführung im Zeichen des mobilen Internets. Der Konsument steht im Mittelpunkt und stört nicht mehr. Dabei ist schon heute absehbar, dass Marketing keine Abteilung mehr bleibt. Die Reputation des Unternehmens als Ganzes wird in der Netzwerkökonomie den Markenerfolg bestimmen. Das kann man vom Game-Changer Apple lernen. Wer das nicht glaubt, sollte sich das Desaster der Versicherungsgruppe Ergo in Erinnerung rufen.

Konsumenten übernehmen die Kontrolle
70 Prozent aller Medieninhalte im Internet werden gegenwärtig von Konsumenten gemacht. Die klassische Markenkommunikation verliert ihre Effektivität durch den schwindenden Einfluss der Massenmedien. Die Folge ist ein Machtbeben. Menschen begegnen Unternehmen zunehmend auf Augenhöhe. Sie werden zu machtvollen Schwärmen. Aus Medienkonsumenten sind Medienmacher geworden, die in der Lage sind, die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Das musste auch Apple in der „Locationgate“ genannten Geodaten-Affäre begreifen. Im Frühjahr des Jahres wurde bekannt, dass Apple Standortinformationen von iPhone- und iPad-Nutzern ohne deren Einwilligung sammelte. Die globalen Proteste aus den sozialen Netzen kamen umgehend und unüberhörbar. Apple überprüfte seine Haltung und änderte sofort seine Software.

Nachhaltigkeit ist ein unabdingbarer Markenwert geworden
Markenführung kann die Aufmerksamkeit ihrer Kunden nicht mehr managen. Kunden informieren Kunden und beurteilen die Handlungen des Unternehmens. Die Unternehmen werden transparent. Diese Erfahrung machte Apple schon im Jahr 2007. Greenpeace protestierte weltweit gegen die Umweltverschmutzung bei der Herstellung von Apple-Produkten. Das Unternehmen aus Cupertino belegte in Sachen Umweltschutz den letzten Platz aller Computerhersteller. Damals brach Apple sein Schweigen. Steve Jobs erklärte reumütig: „Wir haben zum ersten Mal über unsere Pläne gesprochen, ein grünes Apple zu werden.“ Er schrieb einen offenen Brief an Greenpeace, Aktionäre und die Presse und entschuldigte sich, dass der Konzern sich so lange nicht zu den Vorwürfen geäußert hatte.

Heute hat die Umweltschutzorganisation Apples Engagement für die Umwelt mit vier goldenen Sternen ausgezeichnet. Durch besondere Energieeffizienz der Apple-Produkte verdiente sich das Unternehmen auch den EPA Energy Star. Nachhaltigkeit ist zu einem gelebten Markenkernwert von Apple geworden.

Menschlichkeit gehört zum neuen Markenkern
Aber nicht nur Klimawandel und Ressourcen sind Themen der öffentlichen Diskussion um die Marke Apple geworden, sondern auch die sozialen Bedingungen bei der Produktion der Geräte. Eine Selbstmordserie in den chinesischen Fabriken des taiwanesischen Apple-Zulieferers Foxconn erschütterte die Markenwelt von Apple. Für die Selbstmorde von zehn Arbeitern wurde der hohe Druck bei gleichzeitig schlechter Bezahlung verantwortlich gemacht. Apple fühlte sich unter dem Druck seiner Fans zum Handeln genötigt und veranlasste, dass die Arbeitsbedingungen bei Foxconn verbessert wurden.

People – Places – Profit
Die Demokratisierung des Zugangs zu globalen Netzwerkmedien ist dabei, die Welt – nicht nur der Marken – zu verändern. Die Informationshoheit von Produzenten und Medienkonzernen verschiebt sich zugunsten der Menschen. Personal Media entmachtet Mass-Media. Die Informationshoheit verschiebt sich von den Unternehmen und Institutionen zugunsten der Individuen. Eine hohe Reputation verschafft Unternehmen gerade in Zeiten der Entgrenzung von Politik, Wirtschaft und Kultur eine attraktive Zukunft.

Es lohnt sich, Apple als eines der Modelle für die Markenführung von morgen zu beobachten. Der Vorbildcharakter für andere Marken wird durch den Quellcode der Werte definiert:

People: Die Marke hat einen sinnstiftenden Kern, der Menschen fasziniert.
Places:
Das Unternehmen orientiert sich an Nachhaltigkeit und sozialem Reichtum.
Profit:
Die Wertschöpfung soll größer sein, als die Börsennotierung ausweist.

Als Apple die Nummer eins aller börsennotierten Unternehmen wurde und Exxon vom Thron stieß, hatte der Analyst Brian Marshall von Gleacher & Co. eine plausible Erklärung für den steilen Aufstieg des Technologiekonzerns: „Exxon verkauft ein Produkt, das die Menschen brauchen. Apple dagegen verkauft etwas, was die Menschen wollen.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Wie gewohnt ein sehr interessanter Beitrag. An ein paar Stellen lohnt sich aber vielleicht doch der etwas tiefere Blick, bzw. das Nachhaken.

Marktkapitalisierung, Markenwert und Markenwahrnehmung sind irgendwie nicht ein und die selbe Sache. Hier geht Ihr Beitrag ein wenig leichthändig über die unterschiedlichen Wertedimensionen.

In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass Wally Olins, der legendäre Gründer von WolffOlins, unlängst einen ausgesprochen hellsichtigen Artikel zum Thema Markenbewertung veröffentlicht hat (http://www.marketingweek.co.uk/opinion/a-brands-real-value-is-nothing-except-...
Was Apple sicherlich, neben den in Ihrem Beitrag genannten Eigenschaften auszeichnet (zumindest unter der Leitung von Steve Jobs), ist das unbedingte Beharren auf Qualität in jedem Aspekt des Angebots. Das ist auch mit ein Grund für die relativ hohen Preise, die Kunden für ein Apple Produkt berappen müssen.

Ein paar Anmerkungen noch, zu im Betrag etwas unscharf formulierten Aussagen:

"Von Firmengründung an war das minimalistische Design einzigartig."
- Ob man das Design als minimalisitsch bezeichnen sollte, würde ich in Frage stellen wollen. Abgesehen vielleicht von den Designs für die ersten Apple Computer, waren die Designs der Macs nicht minimalistischer als die der Konkurrenz. Sie waren aber bestimmt deutlich eleganter und formalästhetisch anspruchsvoller. Der häufig gezogene Vergleich zum Rams'schen Braun Design der 60er greift eigentlich zu kurz.

"Apple (...) erfand in den neunziger Jahren das Kultmarketing."
- Ehrlicherweise müsste der Erfolg Regis McKenna und der Truppe um Guy Kawasaki zugeschrieben werden, die bereits zum Launch des ersten Mac 1984 die Kult-Melodie vorgaben.

"Die entscheidende Erklärung des Apple-Triumphes liegt im Markenkern. (...) „Think different“ hat bis heute seine spirituelle Kraft nicht verloren."
- Die Tag-Line Think different wurde erst Mitte der 90er mit der Rückkehr von Steve Jobs an die Spitze des Unternehmens eingeführt. Damit steht sie in einer Reihe, zugegebenermaßen hervorragender Claims (wie z.B. "the computer for the rest of us" oder "the power to be your best"). Aktuell wird sie nicht mehr genutzt.

"Der Apple Macintosh war einer der ersten Personal Computer weltweit."
- Das kann man nur mit einer wirklich sehr großzügigen Sichtweise auf die Entwicklung des PCs stehen lassen. Dabei würde man dann auch irgendwie die sehr erfolgreichen Non-Mac Apple PCs, vom Apple I an, außer acht lassen.

Beste Grüße.