Wenn das Morgen wichtiger als die Zukunft ist

von Peter Wippermann

Autofahrer sind pragmatische Konsumenten. Für die Zukunft des Planeten sieht man schwarz, das eigene Morgen aber plant man heute noch nach den Idealbildern der Vergangenheit. Diese These stützt auch eine aktuelle Meinungsumfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach. Die siebziger Jahre sind bei den Bundesbürgern am beliebtesten. 23 Prozent aller Deutschen sind der Meinung, dass es den Menschen damals am besten ging, nur vier Prozent behaupten das für die ersten zehn Jahre des 21. Jahrhunderts. Natürlich interessieren sich Autokäufer auch für übermorgen, aber ihre Sehnsüchte ruhen in der Vergangenheit. 

Das eigene Auto bedeutet für viele noch immer den Besitz von persönlicher Freiheit. Das Thema Klimawandel ist bisher nicht bei den Autokäufern angekommen. Allerdings sagten 58 Prozent aller Deutschen im Krisenjahr 2009 auf die Frage „Wie sieht Ihr Auto morgen aus?“ von Synovate Motor Research: „Mein Traumauto ist ein grünes Auto.“ Diese Mehrheitsentscheidung lohnt es sich genauer zu analysieren, denn die Verantwortung für das eigene Handeln wird gern delegiert.

Da sich die Kosten für das Autofahren in Deutschland in den letzten dreißig Jahren verdreifacht haben, zeichnet sich bei den jüngeren Konsumenten ein Paradigmenwechsel ab, der den Wert eines Autos neu definiert: Die Summe aus Anschaffung und Unterhalt eines eigenen Wagens und die Gefahren des Klimawandels verändern ihre Entscheidungen. Nicht Autos, sondern Mobilität bestimmt zunehmend die Motivationen der jüngeren Konsumenten, das hat auch Auswirkungen auf das Thema Nachhaltigkeit.

Diese Ausgangssituation erfordert für alle Teilnehmer am Markt ein klares Rollenverständnis: Konsumenten fordern, Politiker regulieren oder wollen die Ökosteuer erhöhen, und Hersteller müssen die Lösung des Klimaproblems bieten. Die Ansätze der Autoindustrie sehen vielversprechend aus: Technologisch werden bestehende Antriebssysteme hybridoptimiert oder neue Clean-Tech-Konzepte bei Verbrennungsmotoren getestet. Das macht auch Sinn, denn jedes Jahr werden 73 Millionen Personenkraftwagen und Lieferwagen gebaut. 

Der globale Wettbewerb um die Zukunft des Elektroautos hat längst begonnen. Jean-Louis Borloo, Frankreichs Umweltminister, will diesen Kampf gewinnen und wird bis 2025 kräftig investieren, um vier Millionen Elektroautos auf die nationalen Straßen zu bekommen. 12,75 Milliarden Euro sind als staatliche Investition geplant, für Elektroautos, Infrastruktur, Ladestationen und Stromnetze sowie 5000 Euro Steuerbonus für jeden Käufer. Außerdem sollen bei den staatlichen Unternehmen Frankreichs, wie Post, Bahn oder Energieversorgern, verstärkt Elektroautos eingesetzt werden.

Einen ähnlichen Weg geht China und bietet staatliche Anreize für den Markt von Elektroautos. Hier hat der chinesische Auto- und Akkuhersteller Build Your Dreams (BYD) im vierten Geschäftsquartal 2009 die Analystenerwartungen deutlich übertroffen und kündigte die Verdoppelung der Autoproduktion von 2009 auf 2010 an. BYD hat sich aus der chemischen Industrie entwickelt und macht deutlich, wie sich die Wertschöpfung bei der Autoproduktion gemäß dem Know-how der Antriebstechnologien verschieben wird. Beim Verbrennungsmotor sind es 63 Prozent, die bei der traditionellen Automobilindustrie verbleiben, beim Hybridantrieb sind es 45 Prozent und beim Elektromotor noch ganze 15 Prozent der Wertschöpfung. Die Gewinner der Produktion von Elektroautos werden die Elektronik-, Software- und Chemieindustrie sein, prognostiziert das Fraunhofer-Institut. Das erklärt vielleicht das auch die zögerliche Entwicklung der deutschen Elektroauto-Produktion. Die Strategie „Größe vor Innovation“ hat sich schon einmal als Pyrrhussieg eines großen deutschen Automobilkonzerns erwiesen.

Morgen bestimmt die Qualität des „neuen Autos“ die Zeit- und Klimafaktoren. Denn heute brauchen die Deutschen für ihren Weg zur Arbeit mehr Zeit als noch 1996, sie fahren langsamer, länger und weiter. Vor diesem Hintergrund werden aus Produkt- zukünftig Mobilitätsmärkte. Da es aber wenige geben wird, die Geld ausgeben können, um Zeit zu sparen, aber viele, die Zeit ausgeben können, um Geld zu sparen, werden neue Konzepte erfolgreich sein. Das Carsharing-Unternehmen Zipcars ist in den amerikanischen Großstädten schon heute außerordentlich erfolgreich und gilt als aussichtsreiches Vorbild. Zipcars verbindet Mobilität mit Kommunikation. Über ein Smartphone können Kunden ein Auto buchen, über Google Maps orten und über Bluetooth das Auto öffnen und fahren, um dann schließlich mobil die Fahrt zu bezahlen. Pragmatische, persönliche Mobilitätskonzepte werden das Auto mit dem öffentlichen Nahverkehr hybrid verbinden. 

Mindshare statt Marketshare wird das Thema Nachhaltigkeit zukünftig prägen.

Peter Wippermann
Gründer Trendbüro
Professor an der Folkwang Universität, Essen

Die besten Einfamilienhäuser des 21. Jahrhunderts

Die Zukunft hat bereits begonnen: Das Magazin HÄUSER suchte innovative Einfamilienhäuser, die sich den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts stellen, und hat jetzt drei herausragende Projekte mit dem HÄUSER AWARD 2010 prämiert.

Das eigene Leben wird zum Bauplan
Bauten für die Glückseligkeit liegen ästhetisch in der Vergangenheit, funktional in der Zukunft und werden geprägt vom gesellschaftlichen Wandel.

Ein Beitrag von Prof. Peter Wippermann, erschienen im Buch zum Häuser Award 2010 im Callwey Verlag. 
Autoren: Bettina Hintze, Peter Wippermann

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Trendforscher im Interview: Trotz Internet-Shoppings: „Geschäfte werden nicht verschwinden“ - Wirtschaft - Tagesspiegel

Herr Wippermann, wie sieht die Konsumwelt von morgen aus?

Der Markt wird sich immer weiter aufteilen. Noch vor ein paar Jahren lagen 54 Prozent der Angebote im mittleren Preissegment, heute sind es weniger als 46 Prozent. Darüber wird auch künftig ein stabiles Premiumsegment von rund 25 Prozent bestehen bleiben und darunter der Marktanteil der Discounter stetig weiter wachsen.

Also werden die Preise fallen?

Das ist nicht zwingend, aber zumindest wahrscheinlich. Durch die vermutlich steigende Inflation und den unsicheren Arbeitsmarkt werden die Preise in den kommenden zehn Jahren noch mehr zum entscheidenden Argument für den Käufer. Und die Konzerne reagieren darauf. Wir erleben bereits den Trend, dass Premiumhäuser eigene Billigmarken einführen.

Was für eine Rolle spielt dabei das Internet?

Eine ganz entscheidende. Das Internet ist wie eine alles umfassende Straße, auf der Kunden einkaufen können. Vor allem aber können Handelsunternehmen dort plötzlich ganz andere Produkte anbieten, als sie bisher in ihren Paletten hatten. Traditionelle Hersteller wie der US-Konzern Procter & Gamble liefern bereits einzelne Produkte direkt an den Endkunden. Der amerikanische Einzelhändler Walmart bietet inzwischen Immobilien und Autos an. Amazon verkauft in den USA Lebensmittel. Das geht nur durch das Internet.